Kapitel 1



Cedrakon – die Geschichte und Geschicke eines Königreichs, festgehalten in Wort und Bild.

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Wo Gardistin Luca, Angehörige der Prinzessinnengarde, wie jeden Abend ihren Dienst vor dem Prinzessinnengemach angetreten hatte.

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Die Nacht war bereits fortgeschritten, doch noch nicht in ihrer zweiten Häfte, als die junge Gardistin den Krach vernahm, das Rumpeln, das Toben, die Schreie. Schreie jener royalen Stimmen, die ihr wohl bekannt waren. Ein Blick in den Korridor, an dessen einem Ende sie stand, offenbarte ihr den Grund …

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Luca kannte ihre Pflichten als Leibgardistin der Prinzessin. Ohne Zögern stürmte sie deren Gemach und wich zunächst dem schweren Kerzenleuchter aus, der zwar Licht spendete, in ungeübten Händen jedoch keine gute Waffe darstellte.
„Ich bin es, Eure Hoheit, Luca!“
„Was …?“
Die Prinzessin war bereits wach. Der Lärm, der durch das Schloss hallte, hatte auch sie aus dem Schlaf gerissen. Für Erklärungen, die Luca ohnehin nicht hatte, war keine Zeit.
„Ihr müsst von hier verschwinden, Prinzessin!“
Der stetig näherkommende Lärm, das Rumpeln, zerschmetterte Nachbarstüren und Schreie gaben ihr Recht.

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„Der Gang ist nicht sicher“, sprach Luca das Offensichtliche aus.
Ihr Blick ging zu dem Seil, an dessen Ende der schwere Kronleuchter unter der Decke des Gemachs hing. Das andere Ende war an der Kurbel unweit der Türe befestigt. Mit ihm konnte er hinab- und hinaufgelassen werden, um seine Kerzen bei Bedarf zu entzünden, zu löschen oder auszutauschen. Auf die langsame Art oder auf die schnelle.

„Tretet zurück, Prinzessin.“
Das Krachen des Leuchers auf purpurnenem Teppich ging im Lärm dessen, was dem Schloss zur Stunde widerfuhr, unter. Ebenso das Erschrockene Aufjapsen der Prinzessin.
„Zieht ihn von meinem Sold ab, Eure Hoheit.“
„Du willst für den Rest deines Lebens auf Deinen Sold verzichten, Luca?“
„Wenn es sein muss, Prinzessin – für den Teppich auch noch ein weiteres Leben.“
Der Weg durch die Tür war versperrt. Es gab also nur noch den Weg nach unten.

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„Da draußen sind überall …“, die Stimme der Prinzessin entschwand wie von der Tiefe der Nacht aufgesogen, in die sie blickte.
„Ich weiß einen anderen Weg.“
Luca zögerte einen Moment. Der Hall einer Türe, die in Erwartung widerstandslosen Schwunges gegen eine in weiser Voraussicht platzierte Gardistinnenlanze geschmettert wurde, beschleunigte ihre Schritte.
„Aber er wird Euch nicht gefallen.“

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Einer der Vorzüge der Gemächer gehobener Ausstattung war jener mehr oder weniger geräumige, abgetrennte Teil, in dem die Damen- und Herrschaften sich frischzumachen, anzurichten und die Nase zu pudern pflegten.

Die Gemächer besonders gehobener Ausstattung verfügten zudem, trotz seiner Eigenschaft als Luxusaccessoir dezent im Hintergrund und schüchtern verschmäht hinter einem Paravent hervorlugend, einen kleinen Alkoven, der für gewöhnlich nach hinten über einen der weniger beachteten Bereiche der Schlossgärten hinaus ragte und in dem im Sommer die Pelzmäntel hingen, um die Motten fernzuhalten.

Er mochte größer sein als anderer Gemächer Ausstattung dieser Art, er mochte schöner verziert sein, er mochte besser gepolstert sein, er mochte sogar häufiger reinigender Bekanntschaft machen. Doch letztlich war und blieb auch der prinzessliche Thron nichts weiter als eine Kiste mit einem Loch über einem größeren Loch.

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„Das reicht doch niemals bis nach unten, Luca!“
„Nicht bis nach ganz unten. Aber bis zum Sims …“
„Was für ein Sims?“
„Zehn Schritt unter uns, dort ist ein schmaler Sims. Von dort aus reinigen die Bediensteten die Schlosswände.“
Das ernüchterte „Oh“ der Erkehnntnis hing lautlos in der Luft, ohne jemals ausgesprochen worden zu sein.
„Eine Hand nach der anderen, Prinzessin …“
„Ich weiß, wie man ein Seil hinabklettert!“
Die Stimme der Prinzessin entfernte sich im gleichen Maße, wie sie hallender wurde.
„Luca?“
„Ja?“
„Da sind Messer in der Wand!“

„Die sind nach unten gerichtet, Eure Hoheit, die sind gegen Assassinen, von oben könnt ihr gefahrlos an ihnen vorbeiklettern“
Erneut eine kurze Pause der innehaltenden Gedanken.
„Woher weißt du das, Luca?“
„Das gehört zu meiner Ausbildung, Hoheit, so wie man Euch Klettern, Schwimmen und Bogenschießen beibringt.“
Ein weiteres erkenntnisreiches „Oh“ wurde niemals ausgesprochen und ging im Lärm brechender Lanze und berstender Türe, inzwischen hoch über ihnen, unter.
„Wir haben nicht viel Zeit, Prinzessin, sie werden schnell merken, wo wir hin sind.
„Das stinkt! Es ist dreckig! – Und es ist rutschig!“
„Das ist der Regen.“
„Es hat nicht geregnet!“
„Es ist nicht mehr weit. Fünf Schritt ungefähr, ein Stück links von Euch ist der Sims, Ihr könnt Euch an der Turmwand …“
„Ich weiß, wie man klettert, Luca!“

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Es hatte nicht geregnet. Vielleicht hätte es das besser getan, dann wären die Turmwände zwar immer noch rutschig gewesen, dafür jedoch rutschig ohne Dreck und Gestank.
„Ich glaub, ich seh ihn scho… oh, ist das tief!“
„Nicht runterschauen, Prinzessin!“

Die Prinzessin mochte klettern können. Das Schloss war in der Frühzeit seiner Geschichte bereits öfters belagert, erobert, überannt, geplündert und niedergebrannt worden und selbst die konservativsten Herrschaften, welcher Person sie auch immer innewohnte, waren nicht drum herumgekommen zu erkennen, dass die Überlebensrate unter den Thronfolgern unter jenen mit bestimmten Fähigkeiten höher ausfiel als unter jenen ohne.

Der Umgang mit der Klinge geziemte sich für Prinzessinnen dennoch nicht, weshalb man ihnen das zur filigrane Instrument von Pfeil und Bogen mitgab, um sie zur Jagd mit ausreiten zu lassen, zu deren Ausrüstung selbstverständlich auch das Jagdmesser gehörte. Natürlich ritt man nur an sonnigen Tagen aus. Ebenso gebat es die Würde der Prinzessin, nur an sonnigen, warmen Tagen zu schwimmen – oder zu klettern.
In einer abgeschiedenen, windstillen Ecke des Schlossparks. Im brusthohen Gartenteich. Und natürlich nicht mehr als fünf Schritt über dem Boden. Mit einem weichen Heuhaufen am Ende des Falls. Die einzige Gemeinsamkeit, die diese Situation mit der jetzigen hatte, war die abgeschiedene Ecke. Der Wind heulte und zog am Negligée der Prinzessin, deren Aufgeregheit einzig verhinderte, dass sie die Kälte spürte. Es war dunkel, aus fünf Schritt war die zehnfache Höhe geworden und anstelle von Heu warteten auf sie in der Tiefe Bäume und Grasnarbe.

Ein spürbares Beben ging durch das Seil, das auch Luca alles abverlangte, den Halt nicht verlieren. Mit Händen und Ellenbogen umklammerte sie dieses, stemmte die Stiefelspitzen ins schroffe Mauerwerk, als es zu jenem Moment kam, der ihr das Blut in den Adern gefrieren, das Herz sich zusammenziehen ließ und ihr die Magengrube einschlug:
„Ich kann ihn spüren, Luca! Ich habe den Sims, ich haaa-aaaaaaaaaaah …!“

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Luca lockerte den Griff um das Seil, ohne ihn zu verlieren, ihr Körper folgte umgehend dem Zug der Schwerkraft, hart spürte sie den Stein unter den Stiefeln an ihren Sohlen. Wider aller Dunkelheit, wider aller Hoffnung, versuchte sie zu erkennen, was unter ihr war.

„Prinzessin!“, rief sie wider aller Erwartungen einer Antwort in die Tiefe.
„Hier! Hier bin ich, Luca!“
Die Stimme erklang näher als erwartet, so nahe wie das Rumpeln der Schlossgemäuer, die Luca vom Herzen fielen.
„Ist Euch etwas geschehen, Prinzessin?“
„Ja … nein … Die Statue hat mich aufgefangen!“
„Welche Statue?“

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Luca sah unter sich eine Bewegung, ihre Stiefel erreichten den Sims von dessen Stein die Zehen der Prinzessin abgeglitten waren. Luca jedoch hielt keinen Moment inne. Die Länge des Kronleuchterseils mochte endlich sein, der nächste Sims jedoch war bereits ganz nah. Der Turm hatte mehrere Bewohner neben der Prinzessin, ihr Zimmer was lediglich das oberste. Er hatte auch mehrere Simse und er hatte eine nicht gezählte Anzahl von Vorsprüngen. Was er nicht hatte, das waren Statuen.

Noch während Luca auf dem Weg nach unten war, kam ihr eine Gestalt – zwei Gestalten! – auf dem Weg nach oben entgegen, flankiert von einem Schreckensschrei. Luca zögerte nicht. Entweder war dies die geistesgegenwärtigste oder die dämlichste Entscheidung ihres kurzen Lebens. Das würde sich herausstellen: Sie ergriff die Gelegenheit.

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Ob dämlich oder nicht, nun war es zu spät, die Entscheidung zu revidieren. Luca zog es in die Höhe, ihre Finger klammerten sich reflexartig noch fester um den Knöchel, den sie zu packen bekommen hatte. Doch auch durch das Wesen ging ein Ruck.

War es zuvor in geschmeidiger Bewegung aufwärts begriffen, schien es nun wie gegen eine unsichtbare Decke geprallt. Irgendwo über Luca kämpften zwei Schwingen in voller Spannweite gegen das zusätzliche Gewicht. Aus den Augenwinkeln sah diese den linken Fuß, im Mondschein funkelnd die Klauen, heranrasen. Ächzend drehte Luca das Gesicht weg, spürte dennoch den Wind im kurzen Haar. Ein weiterer Tritt, der sie schmerzend an der Schulter erwischte – sie war sichtlich nicht willkommen. Beim dritten Versuch griff Luca ein zweites Mal zu. Erneut wurde sie herumgewirbelt. War das Wesen bis zu diesem Moment in einen schrägen Sinkflug eingeschwenkt, ging es nun abrupt zurück in eine waagerechte Flugbahn.

Für einen kurzen Moment hatte Luca Ruhe. Dann spürte sie den Schlag gegen den Hinterkopf. Sie versuchte einen Blick über die Schulter, erkannte jedoch nur einen länglichen Schatten, der sich als Schwanz des Wesens herausstelle und der sie diesmal an der Schläfe traf und Sterne auffunkeln ließ, die nicht zum Himmelszelt der Nacht gehörten. Zugleich wurde der Flug wiederum unruhiger, sackte ab, schwenkte nach links, sodass Luca in ihrer Benommenheit beinahe den Halt verlor, den sie sich so mühsam erkämpft hatte.

„Pass doch auf, wo du hinfliegst!“, erklang ein Schrei von weiter oben. Diesem folgte ein Fluch, der menschlicher nur hätte sein können, wenn er in einer menschlichen Sprache ausgerufen worden wäre. Vor ihnen prangte der abgelegenste Turm der Schlossgärten in direkter Flugbahn. Der nächste Schlag des Schwanzes wirbelte an Luca vorbei in die Höhe, die darauffolgende Drehung ließ sie erneut Sterne sehen. Jedoch, das Wesen, die Prinzessin und die Gardistin riss es am kalten Stein vorbei und über die äußere Schlossmauer hinweg.

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Die Sterne gingen über in eine Welt wilder Schlieren von Blau und Braun und Grün. Hinter den Schlossmauern strömte der Cedrakon, der Fluss, der Große, der Land und Königreich in zwei Hälften teilte, talabwärts. Im rasenden Sinkflug näherten die drei sich ihm schneller, als es Luca lieb gewesen wäre.

Er sah harmlos aus, speziell im hellen Mondlicht, breit war er jedoch und tief und die Strömung hatte bereits den besten Schwimmer hinfortgerissen. Das Schloss jedoch, es lag auf einer Anhöhe, auf einer Insel im Fluss, das Wasser wirkte näher als es tatsächlich war. Nun jedoch rauschten unter Lucas Stiefelspitzen die grünen Ebenen der nordöstlichen Gefilde dahin. Vereinzelte und immer vereinzeltere Häuser und Wege und dichter stehende Bäume erschienen größer und größer, rasten unter ihr hinweg und gleichzeitig auf sie zu.

Der letzte Teil des Fluges bleib ihr nur vage in Erinnerung. Zweige, dann Äste griffen nach ihren Stiefeln, drohten, sie aus dem sicheren Griff um des Wesens Knöchel zu ziehen. Ein Schlag gegen den Arm ließ sie aufschreien, die Hand lösen, wiederum an einem Bein hängen. Voraus gewahrte sie den Schatten eines dicken Stammes, ächzend drehte sie sich zur Seite, sodass sie nur die Äste in die Seite trafen, gleichwohl ihr die Luft aus den Lungen trieben und ebenso die verbliebenen Finger lösten. Auch die Sterne waren wieder da. Mit einem letzten Anfall bewusster Körperbeherrschung machte sie sich bereit, den Fall abzufangen, sich abzudrehen. Doch dazu kam es gar nicht mehr. Die letzten Sinneseindrucke, die sie vernahm, waren ein auf dumpfe Ohren treffender Prinzessinnenschrei und das Gefühl kalten Nasses im Gesicht.

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Einige Dutzend Schritt von Luca entfernt waren die Prinzessin und das Wesen ebenso weich wie nass gelandet. Das Wesen war gelandet, die Prinzessin war Oberkörper voran in den Sumpf gestürzt. Eilig dreht sich diese auf den Rücken, krabbelte blindlings rückwärts, während der Boden schmatzend an ihren Fußknöcheln und Handgelen-

ken zog und optisch eins mit ihrem Negligée wurde. Erst als sie die harte Rinde eines Baums im Rücken spürte, hielt sie an, wischte sich Schlamm, Wasser und Pflanzen aus dem Gesicht und verteilte dabei nur noch mehr Schlamm, Wasser und Pflanzen in diesem. Auch das Wesen, ein klarer Schatten vor einem strahlenden Vollmond, schien sich erst orientieren zu müssen, ehe es sich ihr wieder zudrehte, hoch aufragend über der Prinzessin, das Maul geöffnet, lange, spitze Eckzähne präsentierend im wabernden Sumpf stehend. Die Prinzessin allerdings war der jüngste Spross einer langen Reihe von Königinnen und Königen, die bereits vor ihr eine ganze Anzahl Belagerungen, Eroberungen, Plünderungen und Enführungen über sich hatten ergehen lassen müssen. Nicht, dass ihr dies zu Bewusstsein kam, doch inzwischen verspürte sie festeren Grund, sodass sie sich schwankend aber gerade, zunächst gegen den Baum gestützt, dann jedoch für sich alleine stehend, aufrichtetete.
„Du bist ein Gargoyle, richtig?“
Das Wesen stockte, es schien nicht gewohnt zu sein, dass jemand solche Worte an es wandte.
„Eine Gargoyle, entschuldige. Deshalb hast du da oben herumgesessen, ich bin Patrizia Anastasia Silja Leonie Eleonora Medea Ceidar Louise Pippa Rubinia von Cedrakon, Prinzessin von Cedrakon, es tut mir leid, dass ich auf dich gefallen bin, aber ich hatte keine andere Wahl …“
„Unser Schloss wurde überfallen, die Anzahl unserer Fluchtwege war recht eingeschränkt“, erläuterten Worte, deren Existenz sowie jene der Person, die sie aussprachen, eine Erleichterung in der Prinzessin hervorriefen, die diese kaum zu zeigen vermochte: Sie wagte es nicht, die Schultern auch nur einen Moment weniger durchzustrecken oder gar den Blick von der kräftigen Gestalt der Gargoyle zu lösen, die regungslos im Sumpf verharrt war.
„Ich wäre dir übrigens dankbar, wenn du von Ihrer Majestät ablassen würdest“, fügte Luca hinzu.
„Und wenn du uns weniger ausgiebig deine Zähne zeigen könntest“, ergänzte die Prinzessin.
Tatsächlich klappte das Wesen den Kiefer zu.
„Du siehst ein wenig kleiner aus als vorhin, kann das sein?“
Auf diese Worte der Prinzessin hin senkte die Gargoyle den Blick, hinein in den Sumpf, der an ihr höhergewandert zu sein schien. Unwillkürlich vergewisserte Erstere sich, dass der weniger hungrige Grund, der ihr Halt gegeben hatte, noch immer sicheren Stand versprach. Die Gargoyle indessen versuchte, die Schwingen aus dem Sumpf zu ziehen.
„Du bist eine Gargoyle, ihr könnt nur gleiten, ihre könnt nicht richtig fliegen“, wusste die Prinzessin, während sie diese Bemühungen skeptisch betrachtete.
„Ich weiß nicht, wie tief du bereits eingesunken bist, aber du hast die Prinzessin gerettet. Wir ziehen dich aus dem Sumpf, dann sind wir quitt, was meinst du?“

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Gargoyles wirkten in der Regel kräftig und entdsprechend massiv. Wie Luca und Ihre Hoheit feststellten, war diese Gargoyle sicherlich so schwer wie sie beide zusammen, damit aber immer noch leichter als erwartet. Keuchend zogen sie das Wesen aus dem Sumpf und suchten sich sogleich einen Flecken Boden, der sie nicht ständig in sich aufzunehmen trachtete.
„Hast du eigentlich auch einen Na…?“, setzte Luca an, als sie der zwar tiefer einsinkenden, jedoch zu längeren Schritten fähigen und muskulöseren Gargoyle hinterherhechteten. Doch der Groll des Wesens war keineswegs verflogen. Er war in eine andere Richtung gelenkt:

Nicht weit von der Stelle, bei der sie gelandet waren, überraschte die drei der Anblick des brennenden Schlosses, nein, der brennenden Landschaft.

„Was ist das da drüben?“, wagte die Prinzessin einen ersten, zaghaften, stockenden Versuch, eine Frage zu stellen.
„Die Garnison“, kam es tonlos aus Lucas Mund.
„Es muss … sie müssen sie zuerst angegriffen haben …“, fügte sie hinzu, nur um sich sogleich zu korrigieren. „Nein, das hätte man im Schloss früh genug gemerkt.“
Erfolglos versuchte Luca jene entscheidenden Minuten im Schloss zu rekapitulieren, als sie den zweifelnden – verzweifelnden – langen Prinzessinnenblick auf ihren Schultern spürte.
„Die Feuer im Schloss sind kleiner geworden“, war das, was sie für den Moment versichern konnte, und wonach die Prinzessin in diesem Moment griff, ohne die Zweifel gänzlich vergessen zu können.
„Das ist gut … oder?“

„Das heißt, sie wollen bleiben, nicht zerstören“, war die ehrlichste Antwort.
„Sie löschen bereits. Sie haben zuerst die Wachtürme und die Quartiere … der Gardisten angegriffen, Eure Hoheit, die Thronkuppel, das Archiv, die Bibliothek stehen nicht in Flammen.“
Nicht nur die Quartiere der Gardisten, nicht nur. Das kurze Zögern in Lucas Sätzen war an der Prinzessin nicht vorbeigegangen.
„Wer sind sie?“ – In ihrem Kopf arbeitete es noch merklich, während sie bereits diese Frage stellte.
„Ich werde es herausfinden“, sprach die Gargoyle – zum ersten Mal – und mit einem lauten Knall entfalteten sich die Schwingen, sehr zum Schrecken Lucas und der Prinzessin.
„He, warte, was hast du vor?!“

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„He, warte, was hast du vor?“ – überrascht sah Luca der Gargoyle nach, die sich mit kräftigen Sprüngen in die Lüfte über dem abschüssigen Tal der grünen Ebenen versetzte.
So schnell Luca im Schloss reagiert hatte, so langsam verarbeitete sie diese neue Situation.
„Hoffentlich passiert ihr nichts“, ließ sich die Prinzessin leise hinter ihr vernehmen.

Luca blinzelte.
„Sie ist eine Gargoyle“, stellte sie fest, als ob dies die erschöpfende Antwort auf Prinzessin Patrizias unausgesprochene Frage sein würde. Für den Moment schien sie es zumindest.

„Ich bin müde, Luca, und mir ist kalt.“
Die Gardistin wandte sich der Prinzessin zu. Diese hatte sich an einem Baum niedergelassen, die Lider sanken ihr bereits über die Augen. Nicht weit genug, dass sie Lucas Bewegungen nicht mitbekam.
„Was …?“
Vorsichtig legte Luca ihr die Uniformjacke über den Oberkörper. Ihr Blick wanderte über die Umgebung. Dieser Flecken war so trocken, wie er es in einem Sumpf nur sein konnte, und sie hatten einen guten Blick über die Gegend.
Ob ein Feuer ungebetene Gäste anlocken würde?
Aber es war nicht nur der Umstand, dass Luca kaum trockenes Feuerholz zu entdecken vermochte, sie selber spürte die Schwerfälligkeit in Kopf in Gliedern, die Erschöpfung nachdem die Aufregung verflogen war. Vorsichtig ließ sie sich neben der Prinzessin nieder.
„Ruht Euch aus, Prinzessin, ich halte Wache.“

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Müde lehnte Luca sich mit dem Rücken gegen den Stamm, den Säbel abgeschnallt vom Gürtel auf ihren Oberschenkeln drappiert. Ihre Augenlider fühlten sich ebenso schwer an wie das, was die Schultern der Prinzessin unsichtbar nach unten zu drücken schien. Diese hatte die Augen geschlossen, ebenso wie in Luca sickerte aber auch in sie wenn nicht die vollständige Tragweite des diese Nacht Geschehenen, so doch ein stetig dunkler werdender Schatten der Erkenntnis ein.

Wie ein sachter Wind, der das Zeichen von Leben unter einem solchen Schatten sein mochte, vernahm Luca das leise Wispern:
„Vater, Mutter … die Leute im Schloss? … Isabella … Inra …?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht leben sie noch.“
Dies war einmal mehr die ehrlichste Antwort, die Luca geben konnte. Einige der Schreie, die sie vernommen hatte, hatten sehr vertraut geklungen: Mitglieder der königlichen Familie, in der Mehrzahl Gardisten wie sie. Die Zofen? Die Bediensteten? Luca wusste, Drachen wurde zuerst der Kopf abgeschlagen, er war die Trophäe, der Rest des Körpers war unwichtig. Wortlos starrte sie eine Weile vor sich hin, ehe sie eine Bewegung neben sich spürte, dann eine Berührung an der Schulter und einen kurzen Schmerz von der Stelle ausgehend, an der die Gargoyle ihr die Uniform aufgerissen und die Schulter geprellt hatte.

Und noch etwas.

Es hieß, Prinzessinnen weinen nicht. Diese hier tat es.

Ende Kapitel 1

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Statistik:

Start der Zeichnungen: 20. Februar 2020

Start Kapitel 1: 19. März 2020


Dauer für eine Zeichnung: Ca. 1 – 1,5 Wochen

Anzahl Zeichnungen Geschichte: 19

Anzahl Zeichnungen Background: 2

Figuren und Anzahl ihres Erscheinens

Luca: 9, davon von vorne: 4, von hinten: 3, einzelne Körperteile: 2

Prinzessin: 11; davon von vorne: 7, von hinten: 2, einzelne Körperteile: 2

„Die Gargoyle“: 8, davon von vorne: 6, von hinten: 2, einzelne Körperteile: 0

Emil: 5, davon von vorne: 2, von hinten: 0, einzelne Körperteile: 3

To be continued …